Hat ein Frachter giftigen Öl-Schlamm ins Wasser abgelassen? Sind
Gefahrgutcontainer richtig verladen? Wo könnten Terroristen
zuschlagen? Die Hamburger Wasserschutzpolizei hat viel zu tun. Und
auch der «Rummelplatz» Hafen sorgt für immer mehr Arbeit.
«Ey Schutzmann! Wenn du deine Hände suchst,
die sind in deinen Taschen!» Bei den schnoddrigen Sprüchen der
Hafenarbeiter kann Jens Gebauer nur lässig grinsen. Seit 1979 ist er
Hauptkommissar bei der Hamburger Wasserschutzpolizei, fuhr früher
selbst zur See, so wie die meisten der frechen Kerls hier im Hafen.
«So ist der Ton hier einfach, freundlich-rustikal», sagt Gebauer,
während er durch die Terminals fährt. Besonders interessieren ihn
dabei die Gefahrgutcontainer. Sind sie richtig gelagert? Können die
Säuren, Laugen und Explosivstoffe in der Verpackung weiter durch
Deutschland rollen?
Gefahrgutkontrolle ist eine von vielen Aufgaben der Hamburger
Wasserschutzpolizei, die in diesem Jahr seit 225 Jahren besteht.
Die Beamten regeln den Verkehr auf den Wasserstraßen,
überprüfen bei Seeschiffen, ob sie giftigen Öl-Schlamm im Meer
verklappt haben und kontrollieren Pässe von Seeleuten. Dass die
Polizisten im zweitgrößten Containerhafen Europas immer mehr leisten
müssen, gleichzeitig aber auch bei der Polizei gespart werden muss,
moniert nicht nur Thomas Lübkert. Der Erste Polizeihauptkommissar ist
stellvertretender Leiter des Kommissariats 2 und schon 30 Jahre bei
der Wasserschutzpolizei. «Das wahnsinnige fachliche Spektrum, das wir
abdecken müssen, ist schon eine Herausforderung», erklärt der
55-Jährige.
Reichlich Arbeit bescheren Lübkert und seinen Kollegen auch die
zahlreichen Großveranstaltungen - vom Hafengeburtstag bis hin zu den
Cruise Days strömen hunderttausende Besucher. Dass der Hafen immer
mehr zum Rummelplatz wird, sehen nicht alle, die im Hafen arbeiten,
positiv. Da wundert es nicht, dass auch für den in Hamburg geborenen
Lübkert der Hafen eher Arbeitsplatz als hippe Party-Location ist.
Jens Gebauer ist derweil weiter im Hafen unterwegs. Am O'Swaldkai
entlang, mit Blick auf die Dauerbaustelle Elbphilharmonie, lenkt er
seinen Polizeikleinbus. Dabei muss er immer wieder
Riesengabelstaplern ausweichen, die elegant, aber zügig Container
durch die Luft schweben lassen. An der Kaikante stehen Hunderte
Schrottautos, die nach Nigeria verschifft werden.
Auf dem Parkplatz nebenan geht es nach
Bremer-Stadtmusikanten-Manier zu: Auf der Ladefläche eines großen
Baustofftransporters stapeln sich Schrottautos übereinander.
Zusammengehalten wird das abenteuerliche Konstrukt von einem roten
Zurrgurt. Transportraum in den Schiffen ist teuer, da werden die
Absender kreativ. Zehn Meter weiter heißt das Reiseziel aber wirklich
Schrottpresse: Zwei Laster sind völlig ausgebrannt, das Reifengummi
geschmolzen, die Aufbauten bizarr verbogen. Die Polizisten gehen von
Selbstentzündung aus.
«Nach der Atomkatastrophe in Japan haben wir drei Schiffe, die
direkt aus Fukushima kamen, auf radioaktive Strahlung untersucht»,
erzählt Gebauer. Gefunden haben sie nichts. «So sehe ich meinen
Beruf: Beraten und Aufklären», sagt Gebauer. «Viele Firmen rufen von
sich aus an und bitten uns um Hilfe.» Er kann aber auch den «bösen»
Schutzmann, dann gibt es eine Anzeige.
An den Gefahrgutcontainern ist heute alles in Ordnung. Während
Gebauer zurück zur Wache fährt, beginnt für Carsten Stiesch und
Hendrik Wierzbicki ihre Patrouille auf dem Wasser. Beide waren
Marinesoldaten, bevor sie zur Wasserschutzpolizei gingen. Das
Hafendienstboot «WS37» schaukelt nur leicht, als es langsam durch den
Ellerholzhafen fährt. Eine Gruppe Möwen fliegt empört auf, als ihnen
das Boot zu nahe kommt.
Oberkommissar Wierzbicki ist erst seit kurzem wieder hier - vorher
hat er in Cuxhaven gearbeitet, bis wohin sich das
Zuständigkeitsgebiet der Hamburger Wasserschutzpolizei erstreckt. Als
Ermittler hat er Schiffsunfälle bis zu ihrer Abgabe an die zuständige
Behörde wie zum Beispiel die Staatsanwaltschaft bearbeitet. Aber auch
das tägliche Klein-Klein im Hafen war sein Job.
Im Hamburger Hafen ist Wierzbicki vor allem in Sachen Umweltschutz
unterwegs: An Bord der Seeschiffe kontrolliert er, ob die Besatzung
während der Reise giftige Schweröl-Reste ins Meer gekippt hat. «Wenn
Schweröl als Brennstoff aufgearbeitet wird, entsteht Sludge, eine Art
Schlamm, der zurückbleibt», erklärt der Wasserschutzpolizist. «Wir
können ausrechnen, wie viel davon nach der Reise an Bord sein muss.»
Kann der Kapitän bei Unstimmigkeiten keine Entsorgungspapiere
vorweisen, gibt es eine Anzeige. Im Gegensatz zu früheren Zeiten sei
die Entsorgungsmoral deutlich gestiegen, was nicht zuletzt an
internationalen Kontrollen liegt - die freilich überall anders
gehandhabt würden.
Wierzbickis Kollege Carsten Stiesch war vor seiner Versetzung zum
Kommissariat 2 in der Außenstelle an den Landungsbrücken - unter
Beobachtung Tausender Touristen. «"Machen Sie die Hafenrundfahrten?"
oder "Wann geht die nächste Fähre?" hab ich immer wieder gehört»,
erinnert er sich lachend. Doch schnell wird der 46-Jährige wieder
ernst - wenn er von der Wasserleiche erzählt, die er aus dem Hafen
gefischt hat. «Da stehst du dann davor, hast den Ausweis von dem
Toten in der Hand und siehst: Aha, so hat der also mal ausgesehen.
Aber die Pflanzen und Tiere im Wasser verändern einen Körper enorm.»
Vor allem den Geruch kann Stiesch nicht so schnell vergessen.
Wenn Stiesch und Wierzbicki ihr Boot wieder zurück zum Anlieger
bringen, fahren sie an den Hafenterminals entlang, wo im vergangenen
Jahr rund sieben Millionen Container umgeschlagen wurden. Die
weitläufigen Gelände sind eingezäunt; wer hier rein will, muss
Zahlencodes kennen oder einen passenden Ausweis haben. Konnte man
vorher mit ein bisschen Chuzpe ohne weiteres bis auf die
festgemachten Seeschiffe, sind die Behörden nach den Anschlägen vom
11. September 2001 sensibilisiert und haben die
Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Der International Ship and Port
Facility Security Code (ISPS-Code) zur Gefahrenabwehr bei Schiffen
und in Häfen wurde aufgelegt, Hafenbetriebe mussten
Anti-Terror-Konzepte erstellen.
Bei der Wasserschutzpolizei wacht Carola Steenbeck darüber. «Die
Welt ist nach 9/11 eine andere geworden», sagt die Polizeioberrätin.
«Wir haben für 76 Terminals eine Sicherheitsanalyse erstellt. Auf
dieser Basis wurden Gefahrenabwehrpläne für die Hafenanlagen
entwickelt. Darin steht, welche Sicherheitsmaßnahmen durch die
Hafenanlagen zu treffen sind.» Doch die 52-Jährige weiß:
«100-prozentige Sicherheit kann es nicht geben.» Deswegen hat die
Polizei mit weiteren Behörden für Worst-Case-Szenarien
Einsatzkonzepte entwickelt - auch für die riesigen Kreuzfahrtschiffe.
Die Branche boomt: 166 der Luxusliner machen dieses Jahr im Hamburger
Hafen fest, nächstes Jahr werden es sogar 180 sein. Die Folgen eines
Anschlags auf ein Schiff mit 5500 Menschen an Bord sind nur schwer
vorstellbar.
Um Dramen im Kleinen kümmern sich Frank Wolff und Heinrich Klipp
von der Dienststelle WSP 21. Tierschutz fällt in ihr Aufgabengebiet:
Wenn Hundehalter überfordert sind und ihr Tier verhungern lassen oder
schlagen. «Meist stecken hinter solchen Fällen menschliche
Tragödien», berichtet Klipp. Auch Umweltdelikte werden hier
behandelt: «Alte Autobatterien am Straßenrand, verseuchte Gewässer
oder Elektroschrott, der illegal nach Afrika verschifft werden soll»,
zählt Wolff die Palette der häufigsten Straftaten auf. Der 51-Jährige
kennt die Bilder der Kinder, die auf afrikanischen Deponien unter
menschenunwürdigen Bedingungen westlichen Elektroschrott
ausschlachten. Früher war er Ingenieur auf einem Hochseefischerboot.
Jetzt muss er abwägen: Ist dieses Sammelsurium hier Schrott oder
vielleicht in Afrika noch eine gewöhnliche Handelsware? Denn als
solche dürften die alten Kühlschränke, Radios und Fernseher legal
verschifft werden - eine Sisyphusarbeit.
Eine Besonderheit: In ihrem Bereich ist die Dienststelle der
Wasserschutzpolizei für ganz Hamburg zuständig. Eine Tatsache, die
auch Frank-Martin Heise betont. Seit knapp zwei Jahren leitet der
gelernte Kriminalist die Wasserschutzpolizei und musste sich seinen
Platz zwischen all den Seebären erstmal erarbeiten. Seine Beamten
sieht er einerseits als Kontrolleure, aber auch als Dienstleister am
Kunden. Heise glaubt: «Der Stadt Hamburg geht es gut, wenn es dem
Hafen gut geht. Wenn wir zum Beispiel in einem Schiff eine
zeitaufwendige Umweltkontrolle durchführen, dann machen wir das immer
direkt nach dem Einlaufen», erklärt der Wasserschutzpolizei-Chef. «Dann hat
die Besatzung noch genug Zeit, Mängel zu beseitigen, ohne ihren
Fahrplan durcheinanderzubringen.»
Für die Zukunft sieht Heise unter anderem die immer stärkere
Vernetzung mit anderen Behörden und Institutionen als
Herausforderung. Schon jetzt stimmt sich die Wasserschutzpolizei mit
Lotsen, Berufsgenossenschaft, Hamburg Port Authority,
Seeschifffahrtsamt und vielen mehr ab - diese Kooperationen will
Heise ausbauen. Er lobt auch die Kooperation der unterschiedlichen
Behörden im Maritimen Sicherheitszentrum Cuxhaven. Davon, die
vielfältigen Aufgaben zur Gewährleistung der Sicherheit in deutschen
Küstengewässern zu zentralisieren, hält der Leitende Kriminaldirektor
gar nichts. «Es ist ein Irrglaube, dass es automatisch besser wird,
wenn nur einer den Hut aufhat.»
ZUSATZ-KÄSTEN
Hamburgs Wasserschutzpolizei sichert die Schifffahrt seit 1787
Die Hamburger Wasserschutzpolizei bezeichnet
sich selbst als eine der weltweit ältesten. Dieses Jahr feiert sie
ihr 225-jähriges Bestehen. Die Geschichte der Hamburger
Wasserschutzpolizei begann am 26. Oktober 1787: Zwölf Männer nahmen
ihren Dienst auf, vor allem, um Schiffsladung vor Dieben zu schützen.
Die Stadt hatte damals 100 000 Einwohner, 1312 Seeschiffe machten pro
Jahr fest. Versicherungen gab es nicht; Diebstähle schadeten dem
Ansehen der Handelsstadt. Über die Jahrzehnte wurde die Truppe
kontinuierlich aufgestockt, heute leisten 546 Männer und Frauen in
marine-ähnlichen Uniformen Dienst. Immer wieder müssen die Beamten
auch bei Unglücken helfen. Auch während der Sturmflut 1962 versuchten
sie, so viele Menschen wie möglich zu retten. Dennoch starben damals
312 Hamburger.
Hamburgs Wasserschutzpolizei in Zahlen
Die Hamburger Wasserschutzpolizei kontrolliert
jedes Schiff beim Ein- und erneut beim Auslaufen. 2011 waren dies 10
100 Schiffe. Nach Polizeiangaben wurden im vergangenen Jahr 464 042
Besatzungsmitglieder und 363 977 Passagiere grenzpolizeilich
überprüft. Die Beamten stellten für Reisende ohne gültiges Visum 4607
Ausnahmevisa und 142 804 Passierscheine aus. Weitere Schwerpunkte
sind die Überwachung von Umweltschutzbestimmungen, der
Verkehrsrichtlinien und die Terrorismus-Abwehr. Auch der Transport
von Gefahrgut wird überwacht. Bei Unfällen auf dem Wasser sind die
Beamten ebenfalls zuständig. Das Revier erstreckt sich vom
Hafengebiet bis nach Cuxhaven. Derzeit gibt es 546
Wasserschutzpolizisten, die 34 Boote und 54 Streifenwagen nutzen.
Für die Deutsche Presseagentur (dpa)